Prozess gegen Franco A.: Pick-Up Points und Safe Houses
Am 21. Verhandlungstag, dem 9. Dezember 2021, gibt ein Waffenhändler weitere Einblicke in Franco A.s Umfeld: Es geht um A.s Teilnahme an Treffen des Uniter-Vereins und seine Verbindungen zum sogenannten „Hannibal“-Netzwerk. Außerdem sprechen zwei Gutachter_innen und ein Zeuge über Franco A.s Waffenbesitz sowie über die Herkunft und rechtliche Einordnung der sichergestellten Munition.
Zeuge spielt Inhalte der Uniter-Vereinstreffen herunter
Einblicke in die Vorbereitungen auf einen „Tag X“ gibt der als Zeuge geladene Volker L.. Er gibt an, schon länger in einer Prepper-Szene vernetzt gewesen zu sein. So gründete er nach eigener Aussage eine der größten Prepper-Facebookgruppen Deutschlands. Als selbstständiger Waffenteilehändler habe er außerdem Kontakt zu Soldat_innen gesucht und sei darüber zu Treffen des Vereins Uniter eingeladen worden. Seine Schilderungen dieser Treffen und des Vereins wirken verharmlosend: Uniter bezeichnet er als einen “Soldatenhilfsverein” und die teilnehmenden Soldaten und Polizisten seien vermeintlich verängstigt aber harmlos gewesen.
Auf den angeblich drei Treffen, denen er beiwohnte und für die er in mindestens einem Fall auch die Vereinsräume seines Schützenvereins organisierte, sei es um die Vorbereitungen auf den „Tag X“ gegangen. Unter „Tag X“ wird dabei der erwartete Zusammenbruch der staatlichen Ordnung und eines damit einhergehenden Bürgerkriegs verstanden. Auf diesen Fall hätten sich die Teilnehmenden des Treffens vorbereitet und über sogenannte Pick-Up Points und Safe Houses gesprochen, Treffpunkte und sichere Rückzugsorte, an denen sich Eingeweihte treffen, sollte die Ordnung zusammenbrechen. Der Zeuge betont, es sei in den Vorbereitungen nur um eine gemeinsame Flucht im Falle eines Bürgerkrieges gegangen. In der Befragung wird deutlich, dass L. für den Uniter-Verein auch das Design für Patches gestaltete, die den Mitgliedern als Erkennungszeichen dienen sollten. Neben den persönlichen Treffen habe man sich in Chatgruppen organisiert, so L.. Er selbst sei Mitglied der Chatgruppe „Süd“ gewesen – eine von mehreren Chatgruppen rund um den ehemaligen KSK-Soldaten André S. mit dem Pseudonym „Hannibal”. Wie taz-Recherchen bereits 2018 ergaben, sind die Chatgruppe „Süd” und Uniter Teile eines rechtsextremen Netzwerkes, in welchem unter anderem paramilitärische Trainings durchgeführt und Feindeslisten für “Tag X” angelegt wurden.
Richter Koller versucht, den Zeugen mit seiner Verharmlosung und Entpolitisierung der Treffen zu konfrontieren: „Ist es nicht so, dass die Herrschaften in den Safe Houses sich bewaffnen und dann bewaffnet flüchten?“ L. gibt darauf keine Antwort, angesprochen auf das Sammeln von Waffen und auf andere Pläne des Netzwerkes bleibt er vage. Jedoch berichtet er, Franco A. auf mindestens zwei Treffen des Uniter-Vereins getroffen zu haben. A. habe ihn jeweils außerhalb des Treffens angesprochen und ihn, so verstand es der Zeuge L., nach Möglichkeiten gefragt, ohne Waffenbesitzkarte an Waffen zu gelangen. Diese Versuche habe L. – so sagt er es vor Gericht – allerdings alle abgeblockt.
Illegaler Waffenbesitz und sichergestellte Munition
Den zeitweisen illegalen Besitz von drei Schusswaffen hat Franco A. bereits zugegeben. Wegen besagter drei Waffen und der Pistole, die er bei seiner Verhaftung in Wien an sich nehmen wollte, ist A. wegen Verstößen gegen das Waffengesetz angeklagt. Ob diese Waffen nicht nur illegal von ihm besessen wurden, sondern auch gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen, soll vom geladenen Waffengutachter eingeschätzt werden.
Der Sachverständige des BKA weist darauf hin, dass eine sachliche und rechtliche Einschätzung schwierig sei, da die Waffen nicht sichergestellt wurden. Franco A. schweigt zu ihrem Verbleib. Der Gutachter erläutert, dass es das G3-Sturmgewehr in verschiedenen Versionen gebe, die sowohl für den militärischen als auch zivilen Gebrauch gefertigt würden. Die anderen beiden Waffen, ein Revolver der Marke Browning und ein Gewehr der Firma Landmann Preetz, dürfe man auch im zivilen Bereich mit entsprechender Berechtigung besitzen.
Eindeutiger ist die Situation bei der sichergestellten Munition, die der Waffenexperte ebenfalls begutachtete. Im Gegensatz zu den Waffen, lag ihm die in Matthias F.s Wohnung sichergestellte Munition vor. In seiner Beurteilung kommt er zu dem Schluss, dass es sich größtenteils um Pyrotechnik und Übungsmunition der Bundeswehr in Form von Nebel- und Rauchwurfkörpern aber auch um Übungshandgranaten handelte. Jedoch wurden daneben 1000 Schutz scharfe Munition festgestellt, wobei einige Munitionsarten unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Eine weitere Gutachterin bestätigt, dass auf der sichergestellten Munition mitunter ausgeprägte DNA-Spuren von Franco A. und Matthias F. gefunden wurden.
Um festzustellen, ob und wie die gefundene Munition aus Bundeswehrbeständen entwendet werden konnte, hatte die Bundeswehr einen Prüfdienst eingerichtet. Der Leiter dieses Prüfdienstes ist ebenfalls als Zeuge geladen. Er bestätigt, dass ein Großteil der sichergestellten Munition aus dem Bundeswehrstandort im unterfränkischen Hammelburg stammt. A. war dort als Waffen- und Munitionswart tätig, genauso wie A.s Freund Maurice R., gegen den anfangs auch wegen Mittäterschaft ermittelt wurde. Der Zeuge gibt an, dass in der Zeit jedoch keine Abrechnungsunstimmigkeiten aufgefallen seien. Dies ist allerdings nicht verwunderlich: Bei Übungsmanövern werde nicht überprüft, wieviel Munition tatsächlich verbraucht wurde. Wenn nicht verschossene Munition entwendet werde, bleibe das unentdeckt.